Stellungnahme zu den geplanten Kürzungen des Tutorienprogramms

Wir Studierende sind darüber entsetzt, dass ein großer Teil der Tutorien ersatzlos gestrichen oder durch vorlesungsähnliche Propädeutika ersetzt werden sollen. Über ein Jahr waren wir im Homeoffice und mussten mehr schlecht als recht die Masse an Stoff bei stundenlangen Zoommarathons oder anhand von vertonten Präsentationen bewältigen. Unsere Kommiliton*innen in den ersten drei Semestern haben die Universität noch nie von innen erlebt. Doch gerade jetzt entschließen sich die Hochschullehrer*innen die Tutorien massiv zu kürzen. Dadurch fällt nicht nur ein wichtiger Ort zum praktischen Einüben des Stoffs und damit ein essentieller Bestandteil eines umfassenden und chancengleichen juristischen Studiums, sondern auch ein Ort für Diskurs, Reflexion und persönlichen Austausch weg.

Während die Qualität von Vorlesungen schwankt und insbesondere im Rahmen der digitalen Lernformate zu Pandemiezeiten offenbar wurde, für wie (un-)wichtig manche Professor*innen eine studierendengerechte Lehre halten, waren die Tutorien eine stabile Stütze zur Einübung juristischer Fähigkeiten. Doch im Gegensatz zum in der Vorlesung vermittelten abstrakten Stoff, lassen sich Fallübungstechniken, sprachliches Ausdrucks- und Argumentationsvermögen nicht anhand von Lehrbüchern einüben.

Hierdurch leiden letztendlich nicht nur rein juristische Fähigkeiten, sondern auch die im Jurastudium durch die schiere Stoffmenge ohnehin schon wenigen Möglichkeiten zum kritischen Hinterfragen, Reflektieren und Diskutieren auf einer metarechtlichen Ebene. In den Tutorien konnten durch praxisbezogene Falllösung das System, die Wirkweisen und Konsequenzen einzelner Normkomplexe erfahren und diskutiert werden. Würde dieser Praxisbezug weiter verringert, so erhöhte man das Risiko am Ende des Studiums welt(-ent-)fremde(-te), unvollständig ausgebildete Subsumtionsmaschinen in wichtige Positionen zu entlassen. Nicht nur steigt dadurch das Instrumentalisierungspotential von Jurist*innen, sondern auch die Idee von Universitäten als Orte der gesellschaftlichen Entwicklung und Umwälzung wird ins Lächerliche gezogen.

Gleichzeitig stellten die Tutorien einen Ort für die Studierenden dar, sich untereinander kennenzulernen und zu vernetzen. Insbesondere in einem Massenstudiengang wie Jura an der Goethe-Universität mit über 4500 Studierenden und Vorlesungen mit oftmals bis zu 600 Teilnehmenden, spielen Tutorien diesbezüglich eine wichtige Rolle. Was auf den ersten Blick als gemeinsames Kaffeetrinken im Anschluss eines Tutoriums erscheint, ist nicht selten die Fortsetzung von Diskussionen, Geburtsstunde von Ideen oder Freundschaften. Die Tutorien sind damit neben einem Lernort auch ein sozialer Raum und leisteten so einen essenziellen Beitrag zum universitären Leben.

Nicht zuletzt führt die Kürzung des Tutorienprogramms zu einer Verstärkung der schon bestehenden Bildungsungerechtigkeit im Jurastudium. Schon jetzt fühlen sich die meisten Studierenden dazu gezwungen, in der Examensvorbereitung auf private Repetitorien zurückzugreifen. Der geplante massive Tutorienwegfall würde die Studierenden dazu zwingen, in noch größerem Umfang auf teure Privatangebote zurückzugreifen. Alle die sich das nicht leisten können, erfahren damit erhebliche Nachteile.

 

Wir fordern daher, von den Plänen zur Kürzung des Tutorienprogramms abzusehen. Eine ausreichende Finanzierung unseres Studiums muss gewährleistet werden. Nur so wird eine angemessene Ausbildung für Alle ermöglicht.

Frauen*kampftag – jeden Tag!

Offener Brief an den Fachbereich 01 der Goethe Uni

Wir nehmen den 8. März, den Frauen*kampftag, zum Anlass die konsequente Durchsetzung antidiskriminierender Sprache und Geschlechtergerechtigkeit – auch im Jurastudium! – zu fordern.

Wir sind weiterhin viel zu häufig mit sexistischen Stereotypisierungen in Sachverhalten, einer geringen Repräsentanz von Frauen* in höheren Positionen, Heteronormativität, der Unsichtbarmachung queerer Personen und diskriminierender Sprache konfrontiert.

Die juristische Ausbildung zeichnet sich maßgeblich dadurch aus, ein Feingefühl für sprachliche Genauigkeit und eine Sensibilität für die kleinen feinen Unterschiede, die durch eine unterschiedliche Formulierung entstehen, zu entwickeln. Umso mehr irritiert es, dass es innerhalb der juristischen Fachwelt so wenig Bewusstsein für die Bedeutung gendergerechter und antidiskriminierender Sprache zu geben scheint.

Der juristische Fachbereich in Frankfurt ist einer der wenigen Fachbereiche, der in der Ausbildung Wert auf die Vermittlung von Kenntnissen in der Rechtsphilosophie, Rechtstheorie und Rechtsgeschichte legt und darauf (zu Recht) stolz ist – dies sollte sich jedoch auch in der alltäglichen Lehre und Forschung widerspiegeln. Denn Teil dieser Disziplinen ist es, gesellschaftliche Machtstrukturen, die im Recht festgeschrieben sind, sichtbar zu machen und zu analysieren. Das Recht ist ein menschengemachtes Produkt und somit ebenso Spiegel wie Gestaltungsinstrument der bestehenden Verhältnisse.

Sprache ist ein Werkzeug, mit dem wir die Gesellschaft nicht nur beschreiben, also Zustände reproduzieren, sondern auch aktiv gestalten und damit produzieren. Es braucht deshalb ein Bewusstsein für die performative Kraft der Sprache auch in der uniinternen Kommunikation, in Sachverhalten, Vorlesungen, Aufsätzen und Gesetzen. Dies ist gerade in einem Fach wie der Rechtswissenschaft, mit einem derart weitreichenden gesellschaftlichen Einfluss, unerlässlich.

Wir haben es satt, dass cis Frauen* in Sachverhalten stets nur in Beziehung zu männlich gelesenen Personen auftreten; sei es in einem Beschäftigungsverhältnis, in einer Liebesbeziehung oder in einem sonstigen Machtgefälle (und trans Frauen* erst gar nicht vorkommen).

Geht es um einen Sekretär, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass ein wertvolles Möbelstück gemeint ist, als dass es sich um eine männliche Bürokraft handelt. Wir haben es satt, dass Frauen* als schwach, hysterisch oder in der Rolle der eifersüchtigen Giftmörderin dargestellt werden und stets deutsch gelesene Namen tragen – außer es ist eine Putzkraft.

Wir fordern die Sichtbarmachung von queeren Personen und Beziehungsformen in Sachverhalten und die Verwendung antidiskriminierender Sprache. Wir fordern die Darstellung von Frauen* als Chefinnen*, Unternehmerinnen* und Baggerfahrerinnen* und diese Frauen* heißen nicht nur Frederike, sondern ebenso Sibel und Noah.

der arbeitskreis kritischer jurist*innen frankfurt

alternative ersti-infos

Coronabedingt waren im letzten Sommersemester Veranstaltungen allgemein, aber eben auch Kennenlern-Veranstaltungen, insbesondere für die neuen Studierenden, kaum durchführbar. 

Der akj hat daher im Sommersemester 2020 eine “alternative Ersti-Infos”-Serie auf Facebook veröffentlicht:

#1 ALTERNATIVE ERSTI-INFOS: HOWTOSURVIVEJURASTUDIUM

Herzlich Willkommen im Jura-Studium in Frankfurt. Wir gratulieren euch nicht zu der Entscheidung Jura zu studieren. Denn: Jura ist ‘ne Schnapsidee!

Jura ist ‘ne Schnapsidee, weil der Großteil des Studiums darin besteht, vorgekautes Wissen (alias: “herrschende Meinung”) stupide auswendig zu lernen und anzuwenden. Eigenständiges Denken und Kritik ist nicht gefragt bis unerwünscht. Punkte gibt es für die, die unhinterfragt Autobahn fahren. Wer sich auf kritischen Seitenstraßen bewegt, bekommt selten Applaus.
Jura ist ‘ne Schnapsidee, weil die Masse an Stoff absurd ist. Das bedeutet: viel Druck. Denn anstatt diesen Studiengang endlich zu refomieren und selbstbestimmtes und kritisches Studieren zu ermöglichen, werdet ihr von allen Seiten hören: “Ihr macht zu wenig, ihr müsst mehr machen. Lernt mehr!” Hört weg.
Jura ist ‘ne Schnapsidee, weil sich die Rechtswissenschaft gerne als objektiv darstellt, jeder politischen und subjektiven Weltsicht scheinbar erhaben. Dabei wird verschleiert, dass ein Großteil der “herrschenden Meinungen” auf der Weltsicht von alten weißen Männern fußt, die ihre subjektive Weltsicht als objektiv verkaufen.
Kurz gesagt: Der Laden stinkt.
In dieser Hinsicht pflichtet uns auch der folgende Artikel bei, den wir euch an’s Herz legen: http://www.forum-recht-online.de/wp/?p=1887

Doch warum studieren wir dann Jura? Und warum ist es cool, dass ihr am Start seid?
Weil es um mehr geht als um stupides auswendig Lernen, es ein Leben nach dem Studium geben wird und weil Jura mehr sein kann als die Fortschreibung patriarchaler und weißer Herrschaftsstrukturen.
Das Autor*innenkollektiv des Buches “Feministische Rechtswissenschaft” formuliert es in der Einleitung ihres Buches folgendermaßen:
“Das Recht erweist sich […] als ein zweischneidiges Instrument: Es muss analysiert werden als ein Machtmittel, mit dem über Jahrhunderte unter anderem die Macht von Männern über Frauen institutionalisiert und zementiert wurde. Es kann aber auch als eine Möglichkeit genutzt werden, emanzipatorische Fortschritte zu gestalten und festzuschreiben.”
Und genau deshalb braucht es kritischen Jurastudierende, die feministische und herrschaftskritische Perspektiven stark machen.

Mit unseren alternativen-ersti-infos möchten wir euch bei dem Start ins Studium supporten. Also schaut regelmäßig hier vorbei, wir werden im Laufe der nächsten Tage (Überlebens-)Tipps und (hoffentlich hilfreiche) Hinweise veröffentlichen.
Einen guten Start ins Studium. Prost!

 

#2 ALTERNATIVE ERSTI-INFOS: KRITISCHER LESESTOFF

Die Corona-Pandemie belastet unsere Leben in vielerlei Hinsicht. Die Vernetzung untereinander ist hierbei ein Aspekt unter vielen, der stark leidet. In Zeiten vor Corona haben wir vom akj zu Beginn des Wintersemesters immer einen Bar-Abend zum Kennenlernen organisiert – das ist im Moment nicht möglich.
Doch eine Sache geht weiterhin immer und überall: Lesen.
Folgenden Zeitschriften und Bücher legen wir euch besonders ans Herz:
– ForumRecht: Eine Zeitschrift von Studierenden für Studierende. Sie kann online kostenlos abgerufen werden. Und die Redaktion hat sogar ein ErstiHeft zum Einstieg ins Studium für euch zusammengestellt: http://www.forum-recht-online.de/wp/?heft=2020-e
– Kritische Justiz: Die Zeitschrift wurde 1968 (unter anderem von Fritz Bauer) gegründet und ist seither für den kritischen juristischen Diskurs unersetzlich. Die Zeitschrift erscheint vier Mal im Jahr und kann über die Goethe Uni Frakfurt (online) kostenlos gelesen werden.
– Feministische Rechtswissenschaft: Ein Studienbuch: Feminismus ist Herzensache und deshalb empfehlen wir euch dieses Buch ganz dringend. Das Buch kann in der BRuW ausgeliehen werden. Mehr Infos hier: https://www.feministisches-studienbuch.de/
Eine noch viel (!) ausführlichere Liste mit kritischem Lesestoff findet ihr hier: http://www.forum-recht-online.de/…/…/Leseliste_Erstiheft.pdf

 

 

#3 ALTERNATIVE ERSTI-INFOS: KRITISCHES FÜR DIE OHREN

Wir haben nicht nur Leseempfehlungen, sondern auch eine Empfehlung für die Ohren.
Der Podcast Justitias Töchter ist eine Produktion des deutschen Juristinnenbundes zu feministischer Rechtspolitik: https://www.djb.de/projekte/podcast-justitias-toechter

 

 

#4 ALTERNATIVE ERSTI-INFOS: SCHWERPUNKTSTUDIUM

Das Jurastudium besteht aus dem Pflichtteil und dem Schwerpunktbereich. Im Moment spiegelt sich das auch in der Note des ersten Staatsexamens wieder: Diese setzt sich zu 70% aus den staatlichen Pflichtfachprüfungen und zu 30% aus den universitären Schwerpunktbereichsprüfungen zusammen.
Doch die Justizminister*innenkonferenz möchte das ändern: die Schwerpunktsbereichsnoten sollen nicht mehr in die Note des ersten Staatsexamens einfließen. Das Argument: so würden die Abschlüsse vergleichbarer.
Wir halten rein gar nichts von diesen Plänen. Das Schwerpunktsbereichsstudium ist der einzige Teil des Jurastudiums in dem selbstbestimmtes und kritisches Studieren zumindest im Ansatz möglich ist. Mit dieser Reform würden diese sowieso schon unterrepräsentierten Aspekte massiv abgewertet werden. Außerdem kann der Schwerpunktbereich etwas den Druck von den staatlichen Pflichtfachprüfungen am Ende des Studiums abfedern. Wenn diese Reform durchgesetzt werden sollte, würde das also noch mehr Druck bedeuten – und von dem gibt es im Jurastudium schon jetzt mehr als genug.
Deshalb haben wir mit dem Bundesarbeitskreis kritischer Jura-Gruppen (BAKJ) eine Stellungnahme verfasst. Denn wir haben kein Bock auf objektive Einheitsjurist*innen mit scheinbar vergleichbaren Abschlüssen. Wir fordern im Gegenteil die Stärkung des Schwerpunktbereichsstudiums. Für mehr Kritik und Selbstbestimmung!
Lest selbst: https://akjffm.blackblogs.org/2021/01/31/stellungnahme/ (upgedateter Link, Stand: 31.Januar.2020)

 

 

#5 ALTERNATIVE ERSTI-INFOS: KRITISCHES ZUM FACHBEREICH

Das kritische Studieren fängt am eigenen Fachbereich an. Schaut, wer vor euch steht und was die politische Haltung dieser Person ist. Jura ist nicht objektiv und neutral, sondern subjektiv und politisch. Deshalb haben wir zusammen mit dem AStA eine Pressemitteilung verfasst, in der wir fordern, dass Herrn Salger seine Honorarprofessur an der Uni Frankfurt entzogen wird. Mehr dazu könnt ihr hier lesen: https://asta-frankfurt.de/…/pm-asta-arbeitskreis-kritischer…
Das Hinterfragen der politischen Haltung gilt jedoch nicht nur für Lehrpersonen, sondern ebenso für jeden Kommentar oder Artikel, den ihr lesen werdet. Kommentare sind nicht der Ort der einen Wahrheit. Sie beinhalten subjektive Ansichten und viele Querverweise. Und Querverweise. Ach, und Querverweise.
Ebenso gilt dies für Redebeiträge von Kommiliton*innen. Lasst reaktionäre Einheitsjurist*innen am Fachbereich nicht unkommentiert sprechen, ob in der Vorlesung oder im Tutorium.

 

 

#6 ALTERNATIVE ERSTI-INFOS: KRITISCHES ZUR VERGANGENHEIT

Obacht, wen ihr lest. Viele alte Juristen haben eine Nazi-Vergangenheit.
Hier findet ihr einen Artikel zu nationalsozialistischen Kontinuitäten in der Rechtswissenschaft: http://www.forum-recht-online.de/wp/?p=1880

 

 

 

#7 ALTERNATIVE ERSTI-INFOS: STEREOTYPE SACHVERHALTE

Typisch für das Jurastudium sind auch die vor stereotypischen Reproduktionen strotzenden Sachverhalte in der Vorlesung oder im Tutorium. Die handelnden Personen werden in der Regel als männlich dargestellt, weibliche Personen treten in der Regel nur in Bezug zu einer männlichen Person auf (beispielsweise als Geliebte, Ehefrau oder Sekretärin) und geschlechtlich nicht zugeordnete Personen sucht mensch oft vergeblich. Putzkräfte oder Handwerker:innen haben meist ausländisch klingende Namen und die Ehefrau begeht einen Mord natürlich mittels Gift. Wieso stereotype Sachverhaltsgestaltungen problematisch sind und wie eine queer-feministische Kritik diesbezüglich ausfällt, könnt ihr in diesem Artikel nachlesen: http://www.forum-recht-online.de/wp/?p=1902

Auch findet ihr hier: https://juristenausbildung.tumblr.com/ eine Sammlung von Anschauungsbeispielen von sexistischen Fällen, Folien von Professor*innen oder problematischen Passagen in Lehrbüchern. Auch gibt es die Option, eigene Funde einzuschicken und mit anderen Studierenden zu teilen. Schluss mit der stereotypischen Reproduktion und für eine diversitätssensible Fallgestaltung!

 

 

 

#8 ALTERNATIVE ERSTI-INFOS: VERNETZUNG / BAKJ

Ihr habt Lust euch mit anderen kritischen Jura-Studis zu vernetzen?
Zwei Mal im Jahr veranstaltet der Bundesarbeitskreis kritischer Juragruppen (BAKJ) ein überregionales Treffen. Der nächste Kongress wird vom akj Freiburg ausgerichtet und findet online ab dem 28.11.2020 statt. Mehr Infos findet ihr hier: https://bakj.de/
Wenn ihr Lust habt uns kennen zu lernen, dann schreibt uns eine E-Mail oder eine Nachricht über facebook oder an akj-frankfurt@gmx.de und wir schauen entsprechend der akutellen Corona-Infenktionszahlen, welche Form von Kennen-Lernen möglich ist.

Stellungnahme des BAKJ für den Erhalt und den Ausbau der Bedeutung des Schwerpunktbereichs im Jurastudium

(veröffentlicht auf unserem Blog am 18.August 2020)

Der Bundesarbeitskreis kritischer Juragruppen (BAKJ), positioniert sich gegen den Beschluss der Justizminister*innenkonferenz vom 7. November 2019, der vorsieht, künftig auf die Bildung einer Gesamtnote zu verzichten (“Heidelberger Modell”).

Der Beschluss der Justizminister*innenkonferenz sieht vor, den universitären Teil bei der Endnote in der ersten juristischen Prüfung nicht mehr zu berücksichtigen. Derzeit setzt sich die Note im „ersten Staatsexamen“ zu 70 % aus der Note der staatlichen Pflichtfachprüfung und zu 30 % aus der Note der universitären Schwerpunktbereichsprüfung zusammen. Wir, der BAKJ, lehnen dieses sogenannte „Heidelberger Modell“ ab und plädieren im Gegenteil für eine Stärkung des Schwerpunkbereichs unter Beibehaltung der universitären Autonomie.

Dem Beschluss der Justizminister*innenkonferenz liegt die Auffassung zugrunde, dass ohne das Einbeziehen der Noten aus dem Schwerpunktbereich eine bessere Vergleichbarkeit zwischen Staatsexamensnoten herzustellen sei (a). Zudem wird argumentiert, dass mit dem Heidelberger Modell der psychische Druck im Jurastudium verringert werden könne (b). Ferner scheint der Beschluss vorauszusetzen, dass der universitäre Schwerpunktbereich keinen wesentlichen Teil der juristischen Ausbildung darstelle (c).

(a) Unterschiedliches ist unterschiedlich. Die inhaltlichen Verschiedenheiten in der Lehre, je nach Professor*in, Universität oder Schwerpunktbereich lassen sich nicht auf formeller Ebene aufheben. Formelle Vereinheitlichung kann keine Eindeutigkeit oder „Objektivität“ der Bewertung herstellen. Die Beurteilung individueller Fähigkeiten auf einer Notenskala bleibt stets subjektiv und somit uneindeutig. Bei subjektiven Beurteilungen fließen immer auch gesellschaftliche Diskriminierungsstrukturen in die Notengebungen mit ein. Dies zeigt unter anderem die Studie „Geschlechts- und Herkunftseffekte bei der Benotung juristischer Staatsprüfungen“ (Towfigh, et al., ZDRW 2018, S. 115 (139)). Abgesehen davon wird durch Noten unsichtbar, dass Bildungsungerechtigkeit und Chancenungleichheit maßgeblich bestimmen, wer überhaupt und wer „erfolgreich“ Jura studiert. Außerdem wäre mit einer formellen Vereinheitlichung über Qualität noch nichts gesagt. Anzuzweifeln ist viel mehr der fast schon religiöse Glaube der Jurist*innen an ihr Notensystem und dessen Aussagekraft. Wir plädieren gegen scheinbare Vergleichbarkeit durch Vereinheitlichung und für Differenziertheit – wie sie bei allen wissenschaftlichen Studiengängen üblich ist.

(b) Im Jurastudium ist der psychische Druck durchgehend sehr hoch. Das fadenscheinige Argument, das Heidelberger Modell verringere den Druck im Jurastudium, verdreht die Tatsache, dass der Schwerpunktbereich eigentlich zu einer Entlastung der staatlichen Pflichtfachprüfung führt. Ohne Bildung einer Gesamtnote würde der psychische Druck insgesamt erhöht, da die Endnote nur noch aus der staatlichen Pflichtfachprüfung bestehen würde.

(c) Verschiedene Prüfungsformen gewähren ein unterschiedliches Maß an wissenschaftlicher Freiheit. Während in den staatlichen Pflichtfachklausuren insbesondere auswendig gelerntes Wissen reproduziert werden muss, ermöglicht der Schwerpunktbereich eine tiefgreifende Reflexion inhaltlicher Fragen. Schwerpunktprüfungen liegen daher eine andere Art und Idee von Wissenserwerb und -transfer zugrunde. Es wird – im Gegensatz zu den Pflichtfachklausuren – Raum und Zeit für Wissenschaftlichkeit gegeben.

Durch den Verzicht des Einflusses der Schwerpunktprüfungen auf die Gesamtnote werden kritischer Reflexion und der Fähigkeit zu wissenschaftlicher Recherche die Wertigkeit abgesprochen, sich auch in der Abschlussnote widerzuspiegeln. Der Schwerpunkt ist die einzige Möglichkeit, sich im Studium entsprechend eigener Interessen zu spezialisieren und Wissen zu vertiefen. Juristische Fragestellungen können zudem in den Kontext interdisziplinärer Perspektiven gestellt werden. Mit der Verbannung der Schwerpunktprüfungen aus der Endnote wird dieser Teil des Studiums massiv an Bedeutung verlieren.

Wir fordern daher, dass die bisherige Regelung zur Bildung einer Gesamtnote beibehalten wird. Der Fiktion von Einheitsjurist*innen mit objektiv vergleichbaren Abschlüssen, die vermitteltes Wissen nur reproduzieren, halten wir die Autonomie und die Wissenschaftlichkeit des universitären Schwerpunktes entgegen. Zur Stärkung der Autonomie plädieren wir für den Ausbau des Anteils der Schwerpunktbereichsnote auf 50 %.

Mitunterzeichner*innen:
• Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e. V.
• Deutscher Juristinnenbund e.V.
• Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
• Frankfurter AnwaltsVerein e.V.
• Kanzlei geRechtsanwältinnen – Boll & Kolovos
• AStA der Goethe-Universität Frankfurt
• AStA der Georg-August-Universität Göttingen
• Prof. Dr. Andreas Fisahn
• Prof. Dr. David von Mayenburg
• Til Martin Bußmann-Welsch, Wissenschaftlicher Mitarbeiter
• Janwillem van de Loo, Wissenschaftlicher Mitarbeiter
• Joachim Schaller, Rechtsanwalt

Videos vom alten Blog

Auf dem alten akjffm-Blog sind einige Videos verlinkt – die Verlinkungen stammen von vor mindestens 10 Jahren.

Hier also ein Blick zurück: eine Auflistung der noch existierenden damals aktuellen – und teils noch immer aktuellen – Videos:

 

Video von der Räumung der Schumannstraße 60 – Datum: 22.10.2011

Das Video von der Räumung und Besetzung zeigt, dass die Polizei für den größten Schaden am Haus verantwortlich ist. Zudem hat die Polizei Minderjährige unverhältnismäßig behandelt, eine Spontandemonstration nicht erlaubt und Gewalt angewendet.

 

Dokumentation Räumung des Casinos der Uni Frankfurt 3.12.2009 – Datum: 7.12.2009

 

 

Nazis im Staatsdienst – die V-Leute des Verfassungsschutzes – Datum: 13.2.2009

Pro­fes­sor Gün­ter Fran­ken­berg im In­ter­view zu V-​Leu­ten bei der NPD.

 

 

 

Ein paar der Videos sind leider nicht mehr abrufbar. 

Dabei handelt es sich um ein im Mai 2007 verlinktes “Frontal21-Interview mit Professor Albrecht – Politik zerstört Rechtsstaat” und um drei im Dezember 2010 verlinkte Videos von den Simpsons über Jura.

Umzug des akj-Blogs

Da blogsport leider bereits vor einiger Zeit angekündigt hat in Zukunft keine Seiten mehr zu hosten, mussten wir uns dafür entscheiden einen neuen Blog bei einem anderen Anbieter zu beginnen. 

Einiges ist daher etwas anders als zuvor: Viele ältere Inhalte wird man – mindestens vorerst – über diese Seite nicht mehr abrufen können. Verloren sind sie nicht, aber ob wir Posts von vor 2010 auf dieser neuen Seite wieder hochladen werden wissen wir noch nicht.