Interview zum Versammlungs”freiheits”gesetz

Katja Thorwarth hat den akj Frankfurt zum neuen Versammlungsfreiheitsgesetz interviewt. Dieses Interview ist heute beim Journal Frankfurt erschienen: https://www.journal-frankfurt.de/journal_news/Politik-10/Versammlungsfreiheitsgesetz-Der-Gesetzentwurf-ermoeglicht-polizeiliche-Willkuer-und-Schikane-40515.html

Veranstaltung zum hessischen Versammlungs”freiheits”gesetz mit Prof. Clemens Arzt

Am Montag den 20. März 2023 fand eine Veranstaltung des akj Frankfurt und des AstA der Goethe Universität mit Professor Clemens Arzt von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin zum geplanten sogenannten hessischen Versammlungsfreiheitsgesetz statt.

Link zum Video: https://www.youtube.com/watch?v=6lxPeju6RwQ

Schon am Tag nach dieser Veranstaltung, am Dienstag den 21.03.2023, wurde das Gesetz vom hessischen Landtag beschlossen.

Stellungnahme zu den geplanten Kürzungen des Tutorienprogramms

Wir Studierende sind darüber entsetzt, dass ein großer Teil der Tutorien ersatzlos gestrichen oder durch vorlesungsähnliche Propädeutika ersetzt werden sollen. Über ein Jahr waren wir im Homeoffice und mussten mehr schlecht als recht die Masse an Stoff bei stundenlangen Zoommarathons oder anhand von vertonten Präsentationen bewältigen. Unsere Kommiliton*innen in den ersten drei Semestern haben die Universität noch nie von innen erlebt. Doch gerade jetzt entschließen sich die Hochschullehrer*innen die Tutorien massiv zu kürzen. Dadurch fällt nicht nur ein wichtiger Ort zum praktischen Einüben des Stoffs und damit ein essentieller Bestandteil eines umfassenden und chancengleichen juristischen Studiums, sondern auch ein Ort für Diskurs, Reflexion und persönlichen Austausch weg.

Während die Qualität von Vorlesungen schwankt und insbesondere im Rahmen der digitalen Lernformate zu Pandemiezeiten offenbar wurde, für wie (un-)wichtig manche Professor*innen eine studierendengerechte Lehre halten, waren die Tutorien eine stabile Stütze zur Einübung juristischer Fähigkeiten. Doch im Gegensatz zum in der Vorlesung vermittelten abstrakten Stoff, lassen sich Fallübungstechniken, sprachliches Ausdrucks- und Argumentationsvermögen nicht anhand von Lehrbüchern einüben.

Hierdurch leiden letztendlich nicht nur rein juristische Fähigkeiten, sondern auch die im Jurastudium durch die schiere Stoffmenge ohnehin schon wenigen Möglichkeiten zum kritischen Hinterfragen, Reflektieren und Diskutieren auf einer metarechtlichen Ebene. In den Tutorien konnten durch praxisbezogene Falllösung das System, die Wirkweisen und Konsequenzen einzelner Normkomplexe erfahren und diskutiert werden. Würde dieser Praxisbezug weiter verringert, so erhöhte man das Risiko am Ende des Studiums welt(-ent-)fremde(-te), unvollständig ausgebildete Subsumtionsmaschinen in wichtige Positionen zu entlassen. Nicht nur steigt dadurch das Instrumentalisierungspotential von Jurist*innen, sondern auch die Idee von Universitäten als Orte der gesellschaftlichen Entwicklung und Umwälzung wird ins Lächerliche gezogen.

Gleichzeitig stellten die Tutorien einen Ort für die Studierenden dar, sich untereinander kennenzulernen und zu vernetzen. Insbesondere in einem Massenstudiengang wie Jura an der Goethe-Universität mit über 4500 Studierenden und Vorlesungen mit oftmals bis zu 600 Teilnehmenden, spielen Tutorien diesbezüglich eine wichtige Rolle. Was auf den ersten Blick als gemeinsames Kaffeetrinken im Anschluss eines Tutoriums erscheint, ist nicht selten die Fortsetzung von Diskussionen, Geburtsstunde von Ideen oder Freundschaften. Die Tutorien sind damit neben einem Lernort auch ein sozialer Raum und leisteten so einen essenziellen Beitrag zum universitären Leben.

Nicht zuletzt führt die Kürzung des Tutorienprogramms zu einer Verstärkung der schon bestehenden Bildungsungerechtigkeit im Jurastudium. Schon jetzt fühlen sich die meisten Studierenden dazu gezwungen, in der Examensvorbereitung auf private Repetitorien zurückzugreifen. Der geplante massive Tutorienwegfall würde die Studierenden dazu zwingen, in noch größerem Umfang auf teure Privatangebote zurückzugreifen. Alle die sich das nicht leisten können, erfahren damit erhebliche Nachteile.

 

Wir fordern daher, von den Plänen zur Kürzung des Tutorienprogramms abzusehen. Eine ausreichende Finanzierung unseres Studiums muss gewährleistet werden. Nur so wird eine angemessene Ausbildung für Alle ermöglicht.

Frauen*kampftag – jeden Tag!

Offener Brief an den Fachbereich 01 der Goethe Uni

Wir nehmen den 8. März, den Frauen*kampftag, zum Anlass die konsequente Durchsetzung antidiskriminierender Sprache und Geschlechtergerechtigkeit – auch im Jurastudium! – zu fordern.

Wir sind weiterhin viel zu häufig mit sexistischen Stereotypisierungen in Sachverhalten, einer geringen Repräsentanz von Frauen* in höheren Positionen, Heteronormativität, der Unsichtbarmachung queerer Personen und diskriminierender Sprache konfrontiert.

Die juristische Ausbildung zeichnet sich maßgeblich dadurch aus, ein Feingefühl für sprachliche Genauigkeit und eine Sensibilität für die kleinen feinen Unterschiede, die durch eine unterschiedliche Formulierung entstehen, zu entwickeln. Umso mehr irritiert es, dass es innerhalb der juristischen Fachwelt so wenig Bewusstsein für die Bedeutung gendergerechter und antidiskriminierender Sprache zu geben scheint.

Der juristische Fachbereich in Frankfurt ist einer der wenigen Fachbereiche, der in der Ausbildung Wert auf die Vermittlung von Kenntnissen in der Rechtsphilosophie, Rechtstheorie und Rechtsgeschichte legt und darauf (zu Recht) stolz ist – dies sollte sich jedoch auch in der alltäglichen Lehre und Forschung widerspiegeln. Denn Teil dieser Disziplinen ist es, gesellschaftliche Machtstrukturen, die im Recht festgeschrieben sind, sichtbar zu machen und zu analysieren. Das Recht ist ein menschengemachtes Produkt und somit ebenso Spiegel wie Gestaltungsinstrument der bestehenden Verhältnisse.

Sprache ist ein Werkzeug, mit dem wir die Gesellschaft nicht nur beschreiben, also Zustände reproduzieren, sondern auch aktiv gestalten und damit produzieren. Es braucht deshalb ein Bewusstsein für die performative Kraft der Sprache auch in der uniinternen Kommunikation, in Sachverhalten, Vorlesungen, Aufsätzen und Gesetzen. Dies ist gerade in einem Fach wie der Rechtswissenschaft, mit einem derart weitreichenden gesellschaftlichen Einfluss, unerlässlich.

Wir haben es satt, dass cis Frauen* in Sachverhalten stets nur in Beziehung zu männlich gelesenen Personen auftreten; sei es in einem Beschäftigungsverhältnis, in einer Liebesbeziehung oder in einem sonstigen Machtgefälle (und trans Frauen* erst gar nicht vorkommen).

Geht es um einen Sekretär, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass ein wertvolles Möbelstück gemeint ist, als dass es sich um eine männliche Bürokraft handelt. Wir haben es satt, dass Frauen* als schwach, hysterisch oder in der Rolle der eifersüchtigen Giftmörderin dargestellt werden und stets deutsch gelesene Namen tragen – außer es ist eine Putzkraft.

Wir fordern die Sichtbarmachung von queeren Personen und Beziehungsformen in Sachverhalten und die Verwendung antidiskriminierender Sprache. Wir fordern die Darstellung von Frauen* als Chefinnen*, Unternehmerinnen* und Baggerfahrerinnen* und diese Frauen* heißen nicht nur Frederike, sondern ebenso Sibel und Noah.

der arbeitskreis kritischer jurist*innen frankfurt

Stellungnahme des BAKJ für den Erhalt und den Ausbau der Bedeutung des Schwerpunktbereichs im Jurastudium

(veröffentlicht auf unserem Blog am 18.August 2020)

Der Bundesarbeitskreis kritischer Juragruppen (BAKJ), positioniert sich gegen den Beschluss der Justizminister*innenkonferenz vom 7. November 2019, der vorsieht, künftig auf die Bildung einer Gesamtnote zu verzichten (“Heidelberger Modell”).

Der Beschluss der Justizminister*innenkonferenz sieht vor, den universitären Teil bei der Endnote in der ersten juristischen Prüfung nicht mehr zu berücksichtigen. Derzeit setzt sich die Note im „ersten Staatsexamen“ zu 70 % aus der Note der staatlichen Pflichtfachprüfung und zu 30 % aus der Note der universitären Schwerpunktbereichsprüfung zusammen. Wir, der BAKJ, lehnen dieses sogenannte „Heidelberger Modell“ ab und plädieren im Gegenteil für eine Stärkung des Schwerpunkbereichs unter Beibehaltung der universitären Autonomie.

Dem Beschluss der Justizminister*innenkonferenz liegt die Auffassung zugrunde, dass ohne das Einbeziehen der Noten aus dem Schwerpunktbereich eine bessere Vergleichbarkeit zwischen Staatsexamensnoten herzustellen sei (a). Zudem wird argumentiert, dass mit dem Heidelberger Modell der psychische Druck im Jurastudium verringert werden könne (b). Ferner scheint der Beschluss vorauszusetzen, dass der universitäre Schwerpunktbereich keinen wesentlichen Teil der juristischen Ausbildung darstelle (c).

(a) Unterschiedliches ist unterschiedlich. Die inhaltlichen Verschiedenheiten in der Lehre, je nach Professor*in, Universität oder Schwerpunktbereich lassen sich nicht auf formeller Ebene aufheben. Formelle Vereinheitlichung kann keine Eindeutigkeit oder „Objektivität“ der Bewertung herstellen. Die Beurteilung individueller Fähigkeiten auf einer Notenskala bleibt stets subjektiv und somit uneindeutig. Bei subjektiven Beurteilungen fließen immer auch gesellschaftliche Diskriminierungsstrukturen in die Notengebungen mit ein. Dies zeigt unter anderem die Studie „Geschlechts- und Herkunftseffekte bei der Benotung juristischer Staatsprüfungen“ (Towfigh, et al., ZDRW 2018, S. 115 (139)). Abgesehen davon wird durch Noten unsichtbar, dass Bildungsungerechtigkeit und Chancenungleichheit maßgeblich bestimmen, wer überhaupt und wer „erfolgreich“ Jura studiert. Außerdem wäre mit einer formellen Vereinheitlichung über Qualität noch nichts gesagt. Anzuzweifeln ist viel mehr der fast schon religiöse Glaube der Jurist*innen an ihr Notensystem und dessen Aussagekraft. Wir plädieren gegen scheinbare Vergleichbarkeit durch Vereinheitlichung und für Differenziertheit – wie sie bei allen wissenschaftlichen Studiengängen üblich ist.

(b) Im Jurastudium ist der psychische Druck durchgehend sehr hoch. Das fadenscheinige Argument, das Heidelberger Modell verringere den Druck im Jurastudium, verdreht die Tatsache, dass der Schwerpunktbereich eigentlich zu einer Entlastung der staatlichen Pflichtfachprüfung führt. Ohne Bildung einer Gesamtnote würde der psychische Druck insgesamt erhöht, da die Endnote nur noch aus der staatlichen Pflichtfachprüfung bestehen würde.

(c) Verschiedene Prüfungsformen gewähren ein unterschiedliches Maß an wissenschaftlicher Freiheit. Während in den staatlichen Pflichtfachklausuren insbesondere auswendig gelerntes Wissen reproduziert werden muss, ermöglicht der Schwerpunktbereich eine tiefgreifende Reflexion inhaltlicher Fragen. Schwerpunktprüfungen liegen daher eine andere Art und Idee von Wissenserwerb und -transfer zugrunde. Es wird – im Gegensatz zu den Pflichtfachklausuren – Raum und Zeit für Wissenschaftlichkeit gegeben.

Durch den Verzicht des Einflusses der Schwerpunktprüfungen auf die Gesamtnote werden kritischer Reflexion und der Fähigkeit zu wissenschaftlicher Recherche die Wertigkeit abgesprochen, sich auch in der Abschlussnote widerzuspiegeln. Der Schwerpunkt ist die einzige Möglichkeit, sich im Studium entsprechend eigener Interessen zu spezialisieren und Wissen zu vertiefen. Juristische Fragestellungen können zudem in den Kontext interdisziplinärer Perspektiven gestellt werden. Mit der Verbannung der Schwerpunktprüfungen aus der Endnote wird dieser Teil des Studiums massiv an Bedeutung verlieren.

Wir fordern daher, dass die bisherige Regelung zur Bildung einer Gesamtnote beibehalten wird. Der Fiktion von Einheitsjurist*innen mit objektiv vergleichbaren Abschlüssen, die vermitteltes Wissen nur reproduzieren, halten wir die Autonomie und die Wissenschaftlichkeit des universitären Schwerpunktes entgegen. Zur Stärkung der Autonomie plädieren wir für den Ausbau des Anteils der Schwerpunktbereichsnote auf 50 %.

Mitunterzeichner*innen:
• Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e. V.
• Deutscher Juristinnenbund e.V.
• Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
• Frankfurter AnwaltsVerein e.V.
• Kanzlei geRechtsanwältinnen – Boll & Kolovos
• AStA der Goethe-Universität Frankfurt
• AStA der Georg-August-Universität Göttingen
• Prof. Dr. Andreas Fisahn
• Prof. Dr. David von Mayenburg
• Til Martin Bußmann-Welsch, Wissenschaftlicher Mitarbeiter
• Janwillem van de Loo, Wissenschaftlicher Mitarbeiter
• Joachim Schaller, Rechtsanwalt